Freitag, 22. Oktober 2010

Beschränkung | Sorry, no English today, just some musings on human behaviour

Anlässlich einer kürzlichen ebenso fruchtlosen wie erhellenden Diskussion sind mir doch wieder ein paar Gedanken über den Weg gelaufen, die ich immer schonmal zu diesem Thema hier reinsetzen wollte.

Beschränkung
Verfahren, in dem man Grenzen enger zieht und so weniger Freiheit erlaubt

Beschränken
einschränken, einengen; begrenzen

sich beschränken
bescheiden sein, sich mit etwas zufrieden geben

sich beschränkt zeigen
???


Kennt Ihr das?

Es gibt eine Sorte Menschen mit einer merkwürdigen inneren Beschränktheit. Sie erkennen ihre eigene Selbstbeschränkung nicht als solche, weil sie damit beschäftigt ist, daraus ihre Wichtigkeit zu erhalten. Die Selbstbeschränkung besteht entsprechend darin, sich nicht mit Dingen oder Menschen zu befassen, die aus welchen Gründen auch immer nicht "gehen": Sie sind vermeintlich nicht hip, nicht wichtig, zu hausbacken, zu andersdenkend, zu "einfach strukturiert", oder sie entsprechen nicht dem Umfeld, das man für angemessen hält.

Das Ergebnis dieses inneren Prozesses ist zuweilen ausgesprochen destruktiv: Da man sich selbst immer wieder beweisen muss, dass man sich da befindet, wo vorne ist, tut ein solches Exemplar Mensch alles für die Selbstversicherung, das eigene Tun und Denken sei richtig, und falsche Umfelder dürften in ihrer Haltung verachtet werden. Entwicklung ist ausgeschlossen, sich infrage zu stellen würde bedeuten, das innere Gebäude ginge zu Bruch (oder auch nicht, vielleicht haben die einfach keinen Bock drauf, weil sie hinreichend lange mit der eigenen Borniertheit als vertrautem Lebensgefühl leben). Liebevoll-neckende Distanz zu sich selbst? Niemals in Gruppen, die man verachtet. Naja, keine Ahnung, jedenfalls ist das Ergebnis für mich unerfreulich und uninteressant, weil hohl jenseits wichtigen Gehabes und Provokation um der Provokation willen.

Diese Spezies begegnet mir immer wieder, grade in einem Umfeld, wo die Luft immer dünner wird. Ich nenne sowas einen Menschen mit schlechten Manieren, vor allem deshalb, weil "dumm" ein wirklich sehr unschickliches Wort wäre. Kollektives Herabwürdigen ganzer Personengruppen verursacht mir Brechreiz. Da ist es mir eigentlich egal, ob der Personenkreis eine Kulturgruppe, eine Arbeitseinheit, ein Forum, die Schickeria von München oder der Hausfrauenverein von Hettenleidelheim ist. Die Menschen, egal wer, egal wie, verdienen zunächst und vor allem Achtung, nicht mehr und nicht weniger.

Aber hier zeigt sich meine seltsame Schleife*: Ich hab mit diesen Wichtigheimern wirklich keinen Vertrag und nicht das geringste Bedürfnis, deren Herabwürdigung Anderer zum eigenen Bedeutungsgewinn auch nur im Ansatz zu respektieren. Rutsche ich auf einer Bananenschale aus, kann ich eine witzige Geschichte um ein gefallenes Mädchen draus machen, passiert das so jemand, ist das eine Niederlage - und ich muss dann einen wirklich sehr unfeinen und schadenfrohen Lachanfall bekämpfen, weil ausgerutschte Wichtigkeit halt lächerlich aussieht.

Jedoch bilden sie nach obiger Betrachtung eine Personengruppe für sich, denn es gibt ziemlich viele solcher (weiblicher wie männlicher) Bugwellenträger. Damit fallen sie in mein selbstauferlegtes Imperat, alle Menschen verdienten Respekt. Da haben wir ihn, den Widerspruch, die nicht-auflösbare Ungleichung. Mist aber auch, dabei habe ich mich grade dafür erwärmt, die doof zu finden.

Ich könnte jetzt argumentieren, ich sei menschlich und damit fehlbar, lieferte damit jedoch direkt einen Freibrief für das grade gegeißelte Verhalten. Und ich werd den Teufel tun, weil ich finde, man darf sich wenigstens um Toleranz bemühen, wenn man sie schon nicht aus sich selbst aufbringen kann. Ich könnte Bugwellenträger in Liebe annehmen - weil ich die ja eigentlich doof finde, scheidet Freundschaftliches oder Leiden Können aus und so kann es nur Liebe werden. Aber ich fürchte, mein schier unerschöpfliches Potenzial an Liebe erstreckt sich noch eher auf Motten und Holzwürmer als auf die "geh spielen, Kleine, mein Horizont ist für dich eh zu hoch"-Botschaften sendenden Figuren.

Was also tun? Ich glaube, den größten Respekt bringe ich solchen Menschen entgegen, indem ich sie und ihre Existenz vergesse. Dann finde ich sie nicht doof, lasse meine Schadenfreude bei mir, kümmere mich nicht um überhebliches Gesabbel und hab insgesamt einen aufgeräumteren Nachmittag. Und ich lasse den Jungs und Mädels ihre Bedeutung, denn ich bin nichts weniger als hip, schick oder wichtig und schon gar nicht bin ich Teil eines angesagten Umfeldes. Ingesamt also eine für alle Seiten gute Entscheidung, richtig?

Fein, dann kann ich ja jetzt stricken gehen.


*Seltsame Schleife
Eine komische Selbstbezüglichkeit, die in sich so verschwurbelt ist, dass sie nie ganz wahr und nie wirklich falsch sein kann.
Beispiel: Ein Mensch sagt: "Ich lüge gerade." Unentscheidbar, ob das richtig oder falsch ist. Denn löge er tatsächlich, müsste die Aussage wahr sein und dann hätte er nicht gelogen, womit seine Aussage falsch wird. Wäre sie aber falsch, hätte er die Wahrheit gesprochen und tatsächlich gelogen, womit die Aussage wahr würde. Und so schließt sich etwas, das kein rechter Kreis werden will, sondern sich als seltsame Schleife windet.

1 Kommentar:

  1. Danke fürs Teilen;
    die Einsichten und Denkanstöße haben mir grad weiter geholfen... augenstern

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