Montag, 10. Oktober 2011

Keine Buchbesprechung | Sorry, no English, just a little rant (again) on a book in German language

Hat doch in diesem Jahr jemand eine innovative Stricktechnik rausgebracht, die das Stricken mit zwei Farben geradezu revolutioniert und viel, viel schneller macht! Das Buch dazu heißt "Nordisch Stricken: Doppelt schnell mit der Simultan-Technik für Farbmuster" und die Autorin findet, dass sie eine Strick-Innovation erfunden und entwickelt hat. Also im Jahr 2004 erfunden und entwickelt hat. Hätte ich jetzt interessant gefunden (ich liebe Stricken mit zwei Farben!), wenn da jemand was rasend Schnelles dazuentwickelt hätte.

Dann die Überraschung: Ich setze selbst diese unglaubliche Strickinnovation seit 1975 friedlich und fröhlich und vollkommen unveröffentlicht ein (stimmt nicht ganz, ich habs hier schonmal gezeigt, übrigens deutlich vor Erscheinen des Buches). Ich habs nicht etwa von der Autorin, Ursula Braun, erlernt (geht ja gar nicht, 1975 hatte sie noch keine Ahnung von der bahnbrechenden Erfindung, war ja erst 2004), sondern von meiner Schwester, die, das sei extra erwähnt, nicht Ursula Braun heißt. 

Aus einem Ravelry-Thread habe ich gelernt, dass ein Selbu-Buch von 1988 dieselbe Technik erklärt, was jetzt auch ein bisschen früher als 2004 liegt (wenn auch später als meine Initiation in diese Innovation, jawohl).

Schuljung, liebe Freund/innen der Maschenkunst, ich habe nichts dagegen, wenn jemand ein Buch rausbringt, das die Technik erläutert, ich finde die ja auch gut und empfehle sie, wenn ich kann. Aber laut diesem .pdf-Dokument ist die Technik zum Patent angemeldet und die Autorin wirbt damit, dass das die große Strick-Innovation fürs Zwei-Farben-Stricken sei. Da allerdings hört mein Sinn für Witze auf und der Eindruck fängt an, jemand möchte sich eine goldene Nase verdienen. Vielleicht täusche ich mich und es liegt mehr Naivität als Gewinnerzielungsabsicht vor, aber das scheint mir doch gar zu dreist.

Das Schöne am Stricken ist ja, dass diese Handwerkskunst eine sehr, sehr lange Tradition hat. Ich benutze im Prinzip dieselbe Technik wie meine Urgroßmutter oder die Menschen in Norwegen, Großbritannien, Spanien oder sonstwo in den letzten Jahrhunderten. Und in dieser Tradition gibt es unglaublich viele Menschen, Männer wie Frauen, die alle möglichen Techniken und Kniffe angewendet haben, um schneller oder effizienter zu werden. Die betrachten wir heute ganz oft als faszinierende Neuheiten, weil das mit der Überlieferung in alle Welt halt vor den Zeiten eines Internets nicht so einfach war. In solch einem Feld eine Innovation für sich zu reklamieren, halte ich für ziemlich - ähm, wie sage ich es neutral - gewagt. Beispiele wie der so genannte Magic Loop (also Rundstricken mit einer zu langen Rundnadel, wo man eine Schlaufe lässt) - jepp, stricke ich seit ungefähr 1980. Zopfen ohne Zopfnadel - auch abgehakt, hab mir immer schon die Zöpfe so zusammengestellt, dass da nix war, wofür ich Hilfsmittel brauchte. Es gibt noch viele Beispiele, die sich so aufzählen lassen und die zeigen, dass wir uns halt tatsächlich in einer langen Reihe von Stricker/innen befinden, die unglaublich erfinderisch darin waren, ihr Handwerk zu verbessern. Stellvertretend für viele andere Werke sei an dieser Stelle "The Complete Book of Traditional Knitting" von Rae Compton empfohlen, wo man viel über die Geschichte unseres Kunsthandwerks lernt.

Vielleicht stimmt es, was Frau Zimmermann schreibt, vielleicht haben unsere Hände eine Art kollektives Gedächtnis, das sich an solche Kniffe erinnert, obwohl wir sie gar nicht wirklich erlernt haben. Keine Ahnung, jedenfalls ist diese vermeintlich brandaktuelle Strickinnovation ein Ballon, der für mich heute kläglich geplatzt ist.

1 Kommentar:

  1. Gratuliere! Ich habe in meinen alten Handarbeitsbüchern gesucht und diese Technik in einem Buch von 1966 beschrieben gefunden. Auch dieses Buch, steht ausdrücklich im Vorsatz, ist ein Reprint eines älteren Buches. Auch in meinem Burda-Stricklehrbuch von 1983 ist diese Technik mit Bild beschrieben. Es gibt ein Foto der Handhaltung mit zwei verschiedenfarbigen über den gleichen Finger laufenden Fäden.

    Mich bringt sowas schlicht auf die Palme!!

    Gruß von Anna

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